Kossäten und Maurische Häuser 19.08.2007

Wo sind Biker, die nicht in Urlaub sind oder das Krankenbett hüten oder familiäre Verpflichtungen haben an einem strahlenden Sonnen-Sonntag? Klar! Auf Tour! Und so ging es auch heute wieder auf die Piste.

Den oben stehenden Umständen geschuldet waren wir heute eine kleinere Gruppe mit sechs Leuten auf fünf Moppeds. Dabei waren Martina und Arno, Raimund, Ronald, Uwe und ich. Morgens an der Brücke erst noch der obligatorische Kaffee





bevor es hintenrum über Potsdam hinaus ging.





Nachdem wir das Stadt-Gewimmel überwunden hatten, ging es über Fahrland, Uetz und Paretz weiter in das Havelland, wo uns die an den Alleen stehenden Obstbäume hinter Gohlitz drängten, eine erste Pause einzulegen.



Wir bedienten uns an den Pflaumen und den Mirabellen.



Nur die vielen Birnen blieben für uns unerreichbar, weil die tiefhängenden Äste leider genau über dem Wassergraben baumelten.

Es ging weiter über den Plattenweg nach Berge,



wo wir Richtung Paulinenaue abdrehten. Weiter über Brunne, Fehrbellin und Manke ging es auf Schleichwegen westlich an Neuruppin vorbei.











Bei Storbeck erreichten wir das erste Etappenziel: die Maurischen Häuser. Abseits der Landstraße stehen auf einem von außen völlig uneinsehbaren Gelände diese Häuser:







Das Anwesen Gentzrode (auch Namenspatron des gleichnamigen Stadtteils in Neuruppin) wurde 1855 von dem Tuchmacher, Kaufmann und Torfstichbesitzer Johann Christian Gentz erworben, der zusammen mit seinem Sohn Ludwig Alexander Gentz 1876/77 eine völlige Umgestaltung vornahm. Nach Entwürfen von Martin Gropius und Heino Schmieden wurde das Herrenhaus als Schloss im Stil des orientalischen Historismus erbaut. Mit den Baukosten hatten sich die Herrschaften aber erheblich verschätzt. Letztlich ruinierten sie das gesamte Unternehmen des Gründers, der 1880 in Konkurs ging. Er war gezwungen, die Anlage zu einem Fünftel der ursprünglichen Baukosten zu verkaufen.

Nach einigen Eigentümerwechseln diente das Gelände der Wehrmacht als Schießplatz und Munitionsdepot. Im Jahr 1945 wurde es von den Russen übernommen, die es bis 1992 nutzten. Sie erweiterten das Gelände um Kasernenbauten, die als potthässliche Plattenbauten sofort zu erkennen sind.



Außerdem wurde ein Kino, eine Sauna und ein Kaufladen errichtet, um bis zu 5.000 Menschen zu versorgen. Nach dem Abzug der Russen wurde das inzwischen unter Denkmalschutz stehende Ensemble von einem Unternehmer in Partnerschaft mit Gert Friedrich von Preußen erworben, um es zu einem Hotel umzubauen. Diese Pläne wurden aber verworfen, weil die Hoteldichte um Neuruppin schon zu groß war. Derzeit ist beabsichtigt, aus dem Objekt, das wie ein exotischer Fremdkörper in der Gegend wirkt, eine Ferienanlage zu machen. Inzwischen nagt aber der Zahn der Zeit an den Gebäuden und wie man im Dachstuhl erkennen kann, ist der Einsturz wohl nur noch eine Frage weniger Jahre.

















Um das Gelände zu befahren, war auch einiges Können gefragt. Diese Sandwege mussten überwunden werden.



Wir setzten unseren Trip dann fort und kamen kurz darauf ein Stück südlich von Neuruppin in Wuthenow zu diesem unscheinbaren Haus:





das jedoch eine ebenfalls interessante Geschichte aufzuweisen hat. Als



zeugt es von der Geschichte der Kossäten, die in der Dorfgemeinschaft Bewohner von Katen und kleinen Landflecken waren, die sie zur Selbstversorgung bebauen konnten. Hierfür mußten sie Zins in Geld und Naturalien an den Bauern bezahlen. Da das Geld selten reichte, waren auch "Hand- und Spannarbeiten" zu verrichten. Zumeist betätigten sie sich als Erntehelfer. Neben den Bauern und den Handwerkern, stellten sie die ländliche Mittelschicht dar. Diese Katen sind in fast jedem Dorf in Mecklenburg und Brandenburg zu finden und ein fester kultureller Bestandteil, den heute kaum noch jemand wahrnimmt.

Von soviel Historie fast erschlagen, zog es uns jetzt zu unserer Mittagspause, die wir auf dem Gut Hesterberg verbringen wollten. Kurz hinter Lichtenberg beeindruckt schon das Einfahrttor



und läßt einiges erwarten. Vorbei an den auf den Weiden grasenden Galloway-Rindern



gelangten wir zu dem schlossartigen Gut,





das im Jahr 2000 von der Familie Hesterberg neu gegründet wurde. Inmitten von ca. 1.000 ha Wiesen, Weiden und Wäldern wird hier Viehzucht, Schlachtung und die Vermarktung der Produkte betrieben. Neben eigenen Verkaufsstätten in Berlin und Brandenburg gibt es auch den „Hofladen“, in dem nicht nur eingekauft- sondern auch gegessen werden kann.



Das Restaurant war gut besucht aber wir hatten glücklicherweise zwei Tische reserviert. Viel Auswahl gab es nicht, weil immer nur Essen aus der frischen Schlachtung angeboten wird. Der Rinderbraten hat jedenfalls hervorragend geschmeckt und auch die Preise waren mit 12,50 Euro noch manierlich.

Mit vollen Bäuchen schleppten wir uns zu den Moppeds zurück.



Es ging dann im Zick-Zack-Kurs Richtung Kremmen. Zunächst über Alt Ruppin und Dierberg nach Wolfsruh und Mildenberg gen Osten und über Osterne und Kraatz nach Meseberg wieder nach Westen. Das hiesige Schloß



ist beeindruckend. Auf dem Gelände des von Dorothea von der Groeben (gabs da nicht auch eine TV-Moderatorin mit diesem Namen?) im Jahr 1723 in die Ehe mit Graf Hermann von Wartensleben eingebrachten Vorgängerschloß wurde dieser Prachtbau errichtet, nachdem das alte Gemäuer abgebrannt war. Zu den späteren Eigentümern gehörte Christian Ludwig von Kaphengst, ein Günstling des im benachbarten Schloß Rheinsberg residierenden Prinzen Heinrich von Preußen. Auch ein Carl Robert Lessing gehörte auf die Liste, dessen Frau hier einmal Theodor Fontane beherbergte und diesem die Geschichte der Baronin Elisabeth von Ardenne erzählte, was für Fontane die Vorlage des Romans Effie Briest lieferte. Für den Sohn des Verlegers, Gotthold Ephraim Lessing (dem Jüngeren) wurde hier ein Mausoleum errichtet.

Seit Januar 2007 dient das Schloß als Gästehaus der Bundesregierung, was an dem meterhohen Sicherheitszaun, den vielen Überwachungskameras und dem postierten Streifenwagen unschwer zu erkennen ist.

Wir setzten die Tour fort und legten noch eine kurze Rast ein



inklusive eines dringenden Abstechers in das Maisfeld. ;-)



Danach ging es auf diesen kleinen Nebenstraßen weiter.



Bei Lindow ging es ein Stück nach Süden um den Vielitzsee herum (einschließlich des groben Kopfsteinpflasters) und dann weiter über Gutengermendorf erneut nach Osten, bis wir in Liebenberg wieder nach Westen abdrehten.

Kurz vor Nassenheide machten wir den inzwischen dringenden Tankstopp. Während wir in der Abendsonne noch eine kleine Pause machten,



bemerkten wir, daß da wohl jemand den Tank nicht voll genug kriegen konnte und zwangsläufig unter sich gemacht hatte. ;-)



Es ging dann weiter Richtung Berlin



und während Raimund und Ronald direkt nach Hause fuhren, zog es den Rest noch nach Kremmen.



Nach Spezi, Schorle und Kaffee machten wir uns dann auf und fuhren jeder in heimatliche Gefilde.



Zu Hause angekommen zeigte meine Uhr 325 km, die bei super Wetter zurück gelegt wurden. Auch wenn man merkt, daß es langsam Herbst wird, wollen wir aber doch hoffen, daß auch die nächsten Sonntage ihrem Namen Ehre machen werden.

Bis dahin!

Gruß Ron