Der Prinz und sein Lover (?) 02.09.2012

Wieder ein fahrbarer Sonntag, den wir uns nicht entgehen lassen durften. Also trafen sich Manuela und Peter, Sybille, Gerhard, Hans-Peter und ich uns zu einem Trip in die Altmark.



Sorgsam wurde die Tourenkarte mit der historischen Story der heutigen Tour studiert.



Dann kappten wir die Leinen.







Über Potsdam ging es nach Westen in das Havelland hinaus.











Auf schmalen Abwegen legten wir hinter Weseram die Einreihpause ein.





Der Weg führte uns weiter über Radewege, Marzahne, Gapel, Döberitz und Zollchow weiter nach Westen.





Schließlich erreichten wir in Wust unser heutiges Ziel.



Diese Kirche barg so manche Geheimnisse, die wir ergründen wollten. Die Gruppe war angemeldet und so riefen wir per Handy durch, dass wir etwas früher als geplant eingetroffen waren und sofort machte sich eine Dame des Geschichtsvereins auf den Weg, um uns durch die Kirche zu führen.



Zunächst erfuhren wir, dass diese in ihrer Entstehung gotische- dann im Barockstil erweiterte Kirche eigentlich nicht nur eine einfache Kirche war, sondern als dreischiffige Basilika angelegt wurde. Auch wenn die drei Schiffe nicht sofort sichtbar waren, war das Innenleben sehr imposant. Vor allem die Deckenmalerei war beeindruckend.









Bereits Friedrich Wilhelm I. hat das Patronatsrecht über die Kirche der hier ansässigen Adelsfamilie von Katte gegeben. Der Name leitet sich von "Katze" ab und so versteckt sich eine solche auch im Wappen der Familie hier oben rechts im Altar eingefügt (auf blauem Hintergrund).





Der Bereich hinter dem Altar dient zugleich als Gruft für ein Mitglied der Familie von Katte.



Und dies war für uns der eigentliche Grund für unseren Besuch. Die Turmgruft war schon voll von Sarkophagen, so dass dieser eine Sarg hier hin gestellt werden musste. Weil man aber weiteren Platzbedarf hatte, wurde eine weitere Gruft an das Kirchengebäude angebaut. Dort wollten wir hin.









Dazu muss die folgende Geschichte erzählt werden:

Hans Hermann von Katte wurde am 28. Februar 1704 in Berlin als Spross des alten märkischen Adelsgeschlechtes derer von Katte auf Wust geboren. Vermutlich im Jahr 1729 lernte er den damals siebzehnjährigen Kronprinzen Friedrich kennen. Zwischen beiden entwickelte sich schnell eine zuweilen sehr intime Beziehung. Die Historiker sind sich bis heute nicht sicher, ob diese Freundschaft nicht doch eher ein Liebesverhältnis gewesen ist. Unbestritten ist jedenfalls, dass von Katte jederzeit (Tag und Nacht) Zutritt zu den privaten Gemächern Friedrichs hatte und wenn er zu Besuch war, kein Diener Erlaubnis hatte, sie zu stören. Friedrich sah zu dem acht Jahre älteren Katte auf und bewunderte seine Weltgewandtheit als stattlicher Reiter des Kürassierregimentes, mit dem er zugleich seine Leidenschaft für Literatur und das Musizieren teilen konnte.

Um seinem gewalttätigen Vater zu entgehen, schmiedete Friedrich den Plan, nach England zu fliehen und weihte seinen Freund ein. Dieser sollte sogar erste Verhandlungen mit dem englischen Hof über die Aufnahme Friedrichs führen. Doch der Plan flog auf. Katte und auch Friedrich wurden verhaftet und der König ließ in Köpenick ein Militärgericht einberufen, um beide wegen Hochverrats zu verurteilen. Das Gericht entschied weise: weil sich von Katte nicht unerlaubt von seinem Regiment entfernt hatte (er bat vorher offiziell um Urlaub) verurteilte es ihn nur wegen des unerlaubten Kontaktes zu fremden Ministern zu einer mehrjährigen Festungshaft. Im Falle des Kronprinzen erklärte sich das Gericht für nicht zuständig.

Dem König war dieser Richtspruch zu milde. Er änderte das Urteil über Katte in ein Todesurteil um und spielte auch mit dem Gedanken, dasselbe seinem Sohn anzutun. Nur die unzähligen Eingebungen der europäischen Höfe – interessanterweise tat sich hier Wien hervor – und insbesondere die einfühlsamen Worte des Feldpredigers Müller, der den Kronprinzen in seine Festungshaft nach Küstrin begleitet hatte, brachte Friedrich Wilhelm von seinem Vorhaben ab. Doch als besondere Demütigung Friedrichs verfügte der König, dass die Hinrichtung von Kattes in dessen Gegenwart zu erfolgen habe. So kam es am 6. November 1730 zu dem grausigen Schauspiel, das Friedrich bis an sein Lebensende begleiten sollte. Man zwang ihn an das Fenster zu treten und zuzusehen wie Hans Hermann von Katte im Hof der Festung Küstrin mit einem Schwerthieb enthauptet wurde.

Der Leichnam von Kattes wurde in aller Stille und ohne jedwede Beteiligung seiner Familie in die Familiengruft überführt. Bei Fontane ist nachzulesen, dass es ein trüber November-Nachmittag in der fünften Stunde war. Über die regennassen Feldwege fuhr ein Leiterwagen, den zwei magere Pferde zogen. Auf dem Wagen stand ein schwarz angestrichener Sarg ohne jeden Schmuck und Beschlag. Ein alter Knecht des Gutshofes, der alte Jerse, trug mit Hilfe von zwei Tagelöhnern den Sarg in die Gruft, in der schon prächtige Sarkophäge der Vorfahren standen. Auf die Frage eines der Tagelöhner »Wo sall he hen?« antwortete der alte Jerse »'t is ehr Söhn. Awer et jeiht nich. Stellt em in de Eck.«

Seitdem steht der schlichte Holzsarg verschämt in einer Ecke der Familiengruft.











Ein Nachtrag zur Geschichte muss ich noch liefern: die Dame von dem Geschichtsverein lieferte eine andere Darstellung dazu, wie das Todesurteil zustande kam. Sie sagte, dass sich die Gerichtsherren nicht einigen konnten und so der König selbst das Urteil sprechen musste und deshalb keine Begnadigung aussprechen konnte. Das stimmt nach einer Ausarbeitung der Berliner Juristischen Gesellschaft aus dem Jahr 1979 tatsächlich nicht! Denn obwohl es die Stimmengleichheit zwischen Festungshaft und Todesurteil im Kriegsgerichtsrat gegeben hat, lautete das einstimmige Urteil, dass in diesem Fall die geringere Strafe anzuwenden wäre. Es hat also doch ein eindeutiges Urteil gegeben. Friedrich Wilhelm I. änderte dieses Urteil aber ab, weil ihm der Abschreckungseffekt besonders wichtig war. Er fühle sich von Katte als Angehörigem des Elite-Regimentes Gens d' Armes, dem Leibregiment des Königs, in besonderer Weise verraten und fürchtete Nachahmungen.

Nachdem das Tor zur Gruft wieder verschlossen war,



warfen wir noch einen Blick auf das Herrenhaus der Kattes





und machten uns schließlich wieder auf den Weg.







Das touristisch wenig erschlossene Gebiet machte die Suche nach einer Futterluke für uns schwer. Weit und breit war kein (geöffnetes) Gasthaus zu finden.





Wir wurden erst in der Stadt Brandenburg fündig. Und wieder einmal gab es eine Premiere: es war wohl das erst Mal, dass wir auf einer Tour in einem Chinarestaurant einkehrten.













Das Essen war sehr gut und noch dazu günstig uns so konnten wir die Tour rundum satt fortsetzen.











Die letzte Etappe führte uns vorbei am Kloster Lehnin und über Emstal, Borkwalde, Schäpe, Salzbrunn, Wittbrietzen und über den schönen Plattenweg nach Dobbrikow, wo wir in der bei dem schönen Wetter aus allen Nähten platzenden Biker-Scheune zu Kaffee, AW+/-S und anderen Sachen einkehrten.







Danach fuhr dann jeder den direkten Weg in heimatliche Gefilde.

Die Tour schlägt mit 252 km zu Buche, die bei spätsommerlicher Wärme zurückgelegt wurden und dabei von ständigem Sonnenschein begleitet wurde. Wollen wir hoffen, dass der Herbst weiter so milde bleiben wird. Wir haben ja schließlich noch etwas aufzuholen mit unserem Tourenprogramm.

Bis zum nächsten Mal!

Gruß Ron