Ritter-Tour 24.08.2014



Ganz und gar nicht "von der traurigen Gestalt" waren die Ritter und Edelfrauen, die sich heute auf die Spuren ihrer 1-PS-Vorfahren machen wollten. Morgens an der Brücke waren dabei: Bianca und Stefan, Conny und Jörg, Jeanette und Jens, Joan, Maria und Martin, Axel, Berni, Fred, Hans-Peter, Lutz, Martin, Mirko, Ralf, Stevie, Uwe und meiner Einer.







Nach einigen Tassen "Cahve" (so hieß der Sud aus den dunklen gerösteten und gemahlenen Bohnen einmal, obwohl auch das weit nach der Zeit des Mittelalters war und unseren gepanzerten Ahnen das morgendliche Gesöff daher völlig unbekannt gewesen sein durfte) sattelten wir unsere weniger stählernen sondern eher Plastik ummantelten Schlachtrösser, stießen in die Fanfaren und ritten vom Hof.







Über die Glienicker Brücke nach Potsdam vorgedrungen (das die alten Rittersleut' bestenfalls noch als kleines Fischerdorf kennen gelernt haben werden), galt es, das brutale Duell mit dem Großstadtverkehr aufzunehmen und sich den Weg freizukämpfen.



Der Kampf war hart und wir haben – ganz ritterlich – den Kürzeren gezogen. Wohl mangels WarmUp war es zu einem Abriss gekommen. So mussten wir im Schatten des Neuen Palais (also sozusagen einem hypermodernen Neubau) eine Weile warten, bis die acht verloren gegangenen Ritter dank magischer Stimmen und Wege-Auguren aus kleinen schwarzen Kästchen wieder auf den rechten Pfad zurück gekehrt waren.



Endlich hatten wir offenes Land erreicht und genossen die strahlende Sonne.







In Golzow sammelten wir noch einen einsamen Ritter ein: Christian schloss sich dem Tross hier an. Mit insgesamt 21 Edelleuten auf 19 Stahlrössern setzten wir die Reise fort.





Gerade als erst dunkle Wolken am Firmament aufzogen,



erreichten wir die jüngst eroberte slawische Siedlung "Hinter dem See", die ihren orginalen Namen "Zi-e-Sar" beibehalten sollte.



Dort legten wir bei der Bischoffsburg den ersten Stopp ein.





Dass es sich um den Sitz der Bischöfe von Brandenburg gehandelt hat, hat der im 16. Jahrhundert hier residierende Bischoff Matthias von Jagow deutlich gemacht, als er dem 35 Meter hohen Bergfried sozusagen eine "Bischoffsmütze" verpassen ließ. Daher die ungewöhnliche Form der Turmspitze.



Die Burg selbst geht auf das 10. Jahrhundert zurück. In der Gründungsurkunde des Bistums Brandenburg wird sie im Jahr 948 erstmals erwähnt. Mit ihrem Standort nahe den Handels- und Heerstraßen, die den Süden Deutschlands über Magdeburg mit der Ostseeküste verbanden, war sie eine wichtige Wehranlage.

Die nächste Station lag einige Meilen entfernt. So gaben wir unseren benzinsaufenden Rössern die Sporen und kamen bald nach Loburg. Der Ort erhielt seinen Namen nach der unter dem sächsischen Herzog und späteren ostfränkischen König Heinrich I. zwischen 919 und 936 errichteten Festung, die erst 1162-1200 unter Burggraf Lobborch zu einer Wehrburg ausgebaut wurde. Ihr Fundament liegt auf einem künstlich aufgeschütteten Berg, der sie über die sumpfigen Arme der umfließenden Ehle erhebt.

Die Burg war uns jedoch keinen Stopp wert. So durchfuhren wir den Ort Loburg und passierten dabei die Kirchenruine des Klosters "Unser Lieben Frauen" und drehten weiter nach Süden, wo wir schnell nach Lindau kamen.











Die hiesige Burg entstammt wohl auch dem 9. oder 10. Jahrhundert. Slawische Scherbenfunde weisen darauf hin. Die auf einem Sandsporn in ein Sumpfgelände der Nuthe hineinragende Burg wurde unter dem Herren Evererus von Linau im Jahr 1179 erstmals urkundlich erwähnt. Der dicke Bergfried (der der Landbevölkerung vor allem im Dreißigjährigen Krieg als Zuflucht diente) und das Tor sind noch gut erhalten. Also nahmen wir das ganze genauer in Augenschein. Leider kamen wir diesmal nicht näher auf den Burghof, weil das Tor verschlossen war.

















Nach ausgiebiger Besichtigung ging es weiter.





Zunächst verlangten die Gäule nach ihrem Recht. So führten wir sie zur Tränke.





Über Zerbst und vorbei an seiner alten Stadtmauer lenkten wir unsere erfrischten Rösser weiter ins Sachsenland.





In Roßlau führte uns der Weg über eine kleine Brücke,



um auf den Vorplatz dieser schönen Burg zu gelangen.







Wie viele dieser Anlagen steht auch die Burg Roßlau auf den Überresten einer slawischen Siedlungsburg. Ihre Errichtung reicht in das 12. Jahrhundert zurück. Eine Besonderheit dieser Anlage ist die für das Mittelalter sehr fortschrittliche Warmluftheizung (so wie wir sie z. B. auf der Marienburg sehen konnten). Außerdem fand man bei Ausgrabungen unter anderem einen goldenen Ring (der "Roßlauer Treuering"), der vermutlich aus dem 13. Jahrhundert stammt und als einer der ältesten Eheringe in Deutschland gilt. Große strategische Bedeutung hatte die kleine Rundburg nicht. Sie diente vielmehr als Wohnsitz adliger Familien (überwiegend derer von Schlichting).

Der einzige "Schandfleck" an dieser hübschen Burg ist die heutige durchgehende Fassade, die nicht dem originalen Bauzustand entspricht (bis vor zwei Jahren waren noch überall die Felssteinmauern zu sehen) aber nur mit ihr der dauerhafte Erhalt des Gebäudes erreicht werden kann.

Wir warfen noch ein paar genauere Blicke auf das Gemäuer.



















Der Vorplatz wird übrigens oft als Veranstaltungsort für Konzerte genutzt. Die große Bühne ist dafür die beste Voraussetzung. Uns diente der Platz heute eher als Stallung für unsere Stahlrösser.









Die Mägen unserer Rittersleut' knurrten schon heftig. Deshalb traten wir den Weg zu nächsten Burg, der Burg Rabenstein an, in der wir Aufnahme und kredenzte Speisen und Getränke erhofften.



Dort angekommen erstürmten wir den Burghof (was ein entsprechendes Edikt des Burgherren voraussetzte).



Dann nahmen wir an der Tafel Platz,





und ließen uns reichlich bewirten.



Die Burg Rabenstein ist wohl eine der eindrucksvollsten Burgen im Hohen Fläming. Sie steht auf einem 153 Meter hohen Plateau auf dem "Steilen Hagen", einem für brandenburgische Verhältnisse wahren "Berg". Sie wurde im 12. Jahrhundert im Auftrag der Belziger Grafen errichtet und sollte als Wehrburg, gelegen an der Heeres- und Handelsstraße von Belzig nach Wittenberge, dienen. Ihr Name ist übrigens keine Seltenheit. Allein in Deutschland gibt es fünf gleichnamige Burgen (bzw. Burgruinen) und im benachbarten Österreich weitere fünf.

Der Dreißigjährige Krieg hatte der Burg hart zugesetzt und sie wurde von den Schweden fast völlig zerstört. Nach ihrem Wiederaufbau beherbergt sie im Jahr 1712 einmal den russischen Zaren Peter I. während eines Besuches. Ebenfalls die Schweden spielten dann während der Befreiungskriege gegen Napoléon eine wichtige Rolle: der Kronprinz Bernadotte nahm hier Quartier und befehligte von der Burg Rabenstein aus die alliierte Nordarmee gegen die Franzosen.

Mit der Burg ist auch eine alte Sage verbunden: Die Rosemarie-Sage. Sie erzählt von dem jungen Mädchen Rosemarie, der Tochter des damaligen Burggrafen, das einmal am Abend des Johannistages von der Burg hinab in den Ort Raben blickte und dort die jungen Leute fröhlich tanzend bei der Johannisfeier beobachtete. Sie wünschte sich so sehr, auch einmal einem solchen Vergnügen nachgehen zu dürfen. Doch ihr Vater hatte ihr das strengstens verboten. Als sie ihre Altersgenossen so ausgelassen und heiter sah, wurde das Verlangen doch größer und sie schlug das Verbot in den Wind und schlich sich in einfachem Gewande von der Burg in das Dorf und nahm an der Feier teil. Sie vergaß dabei die Zeit und als um Mitternacht die Hörner gebliesen wurden, was davon kündete, dass die Zugbrücke nun herauf gezogen werden sollte, eilte sie zurück. Aber das Tor war schon verschlossen. So musste sie heftig klopfen und der Burgwächter öffnete das Tor. Allerdings erstatte er auch dem Vater Bericht von der Angelegenheit. Dieser rief seine Tochter zu sich in die Burgkapelle und im Angesicht aller ihrer Ahnen verkündete er sein Strafurteil: um ihre schwere Schuld des Ungehorsams zu tilgen, sollte sie in den Turm verbannt werden. Ihr wurden Leinen mitgegeben und sie müsse so lange im Turm verweilen, bis sie aus den Leinen zwölf Hemden genäht habe. Dabei durfte sie aber nur alle 50 Jahre einen Nadelstich machen. Von diesem Bann kann die arme Rosemarie nur erlöst werden, wenn es einem Jüngling gelänge, den 30 Meter hohen Burgturm ohne jedes Hilfsmittel zu ersteigen und das Mädchen zu befreien. So lange muss sie des Nächtens durch den Turm geistern. Stets um Mitternacht läuft sie traurig umher und viele Leute haben sie schon seufzen hören. Jedes Jahr aber zur Johannisnacht steigen alle ihre Ahnen zum Turm hinauf, um ihr immer wieder aufs Neue ihre Sünden vorzuhalten.

Tja … mangels Jünglingen und wegen unserer mangelnden Erfahrungen im Freeclimbing unternahmen wir heute keinen ritterlichen Befreiungsversuch der armen Rosemarie und traten unsere Weiterreise an.





Zunächst ging es den Steilen Hagen wieder hinab.



Und danach weiter über den in eine warme Nachmittagssonne getauchten Fläming.





In Belzig angekommen, galt es, diese steile Kopfsteinpflaster-Rampe zu nehmen.



Oben angekommen, wollten wir uns zunächst die alte St.-Bricciuskirche ansehen.

















Gleich gegenüber lag das Portal der "Burg Eisenhardt".









Wir sahen uns das weitläufige Gelände der Burg näher an. Auch hier war der Vorgänger der Burg eine slawische Wehranlage, die auf das 5. Jahrhundert datiert wird. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das "Burgwardium Belicsi" im Jahr 997. Erst im 15. Jahrundert wurde das mittelalterliche Gemäuer zu einer mächtigen Festungsanlage ausgebaut. Sieben Türme flankieren die unregelmäßigen Umgebungsmauern. Ihren Namen verdankt sie dem sächsischen Kurfürsten Ernst, der sie im Jahr 1465 auf den Namen "Eisenhardt" taufte, mit dem Wunsch, sie möge "hart gegen Eisen" sein und auf Immer uneinnehmbar. Den letzten Wunsch beachteten die Schweden im Dreißigjährigen Krieg nicht, denn wie viele Wehranlagen wurde auch diese Burg geschleift. Im Jahr 1815 fällt die Burg auf Entscheidung des Wiener Kongresses an Preußen.

Inzwischen hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet, also marschierten wir zurück zu unseren Rössern und den bei ihnen verbliebenen Mitstreitern, die unter einem Baum Schutz vor dem ungewollten Nass gesucht hatten.



Aber solch eine Husche kann einen rüstigen Reiter kaum verschrecken. Also machten wir uns wieder auf den Weg.





Doch der Himmel hatte mit uns braven Rittersleuten ein Einsehen und ließ gnadenvoll bald wieder die Sonne scheinen.





So erreichten wir das letzte Ziel unseres heutigen Ausritts: die Cahve-Schänke im Ort Dobbrikow. Übrigens leitet sich der Name des Ortes nach einer Urkunde aus dem Jahr 1221, in der er als "Doberchowe" bezeichnet wird, vermutlich aus den slawischen Worten "dobre chovae" ab, was soviel heißt, wie "gutes Versteck". Irgendwie passend für eines der beliebtesten Biker-Cafés in unseren Breiten.



Bei Cahve, Dorten van Epfflen mit und ohne Schmant (so würden uns unsere Vorfahren wohl eher verstehen) ließen wir den Zug über die Burgen des Hohen Fläming dann ausklingen.



Allerdings gab es auch heute noch einen Ritterschlag zu erteilen: Maria wurde in den "Orden vom Güld'nen Bande" aufgenommen.













Wie immer löste sich der Trupp hier zum Teil auf. Während einige schon in heimatliche Gefilde entfleuchten, zog es den Rest des Heeres noch zum Startpunkt zurück. So kreuzten wir bei milder Abendsonne die Alte Zauche und das Teltower Land.









Zu fortgeschrittener Stunde kehrten wir an der "Ponte Phrenetica" ein.







Nach 301 flüssigen Kilometern ging wieder einmal eine geschichtsträchtige Tour zu ende. Denn wenn wir hier bei uns schon kaum Kurven haben – Geschichte haben wir wahrlich genug!

Bis zum nächsten Mal!

Gruß Ron