Sternengucker 2018



Die alljährlichen Perseiden wollten wir uns auch dieses Jahr nicht entgehen lassen. Zumal die Rahmenbedingungen nicht besser sein konnten: warm, wolkenloser Himmel und Neumond. Tatsächlich war es dann doch ein wenig frisch und ein paar Wolken gab es auch. Aber die Ausbeute an Meteoriten war diesmal groß. Bei 20 habe ich aufgehört zu zählen. Und die Sternenschnuppen waren manchmal von beträchtigem Ausmaß. Mitunter zog sich der Schweif über den ganzen Himmel!

Aber der Reihe nach: zunächst trafen sich Bernd, Ralf, Ronaldo und ich uns an der Brücke.



Einmal mehr war bei meinem Eintreffen heute die Brücke über die Avus für einen Rettungshubschrauber gesperrt. Es hatte wohl einen Biker erwischt, der vom Fahrradweg kommend mit hohem Tempo geradeaus fahren wollte und dabei von einem abbiegenden PKW angefahren wurde.

Unsere Fahrtrichtung war heute entgegengesetzt und so starteten wir in Richtung Potsdam. Ich weiß nicht was es war, aber irgendetwas hat mich davon abgehalten die Helmkamera aufzusetzen. So bleibt der erste Turn ohne Bilder, der uns über die Glienicker Brücke, B1 und B2 bis Caputh (die Uferstraße dorthin ist immer noch in Bau) und schließlich um den Schwielowsee herum durch den Wildpark an den östlichen Zipfel des Schlossparks Sanssouci geführt hat, wo inmitten des heutigen Campusgeländes der Uni Potsdam das Neue Palais steht.





Nach kurzer Pause ging es dann weiter nach Westen immer der untergehenden Sonne entgegen.









Wir passierten dabei Uetz und Paretz (mit dem Sommerschloss von Friedrich-Wilhelm III. für seine Frau Königin Luise) und weiter über Ketzin/Havel, Zachow, Päwesin, Märkisch Luch durchforsteten wir das westliche Havelland.













Hinter Gräningen und Bamme erreichten wir die Stadt Rathenow, wo wir zum Abendessen in das Restaurant Akropolis einkehrten.



Wegen der frischen Temperaturen machten wir es uns lieber im Innern gemütlich.





Unsere Rösser waren in Sichtweite gut und sicher abgestellt, während es langsam dunkel wurde.



Ab und zu hielt ein Streifenwagen hinter unseren Maschinen. Aber die Beamten hatten kein Interesse an unseren möglicherweise falsch parkenden Motorrädern. Sie waren wohl eher damit beschäftigt die Passanten im Auge zu behalten. Denn an diesem Abend gab es in Rathenow eine Kneipen-Nacht und aus allen Ecken hörte man auch Live-Musik.

An unserem Tisch wurde es jetzt lecker.



Als wir uns wieder auf den Weg machten, war es stockfinstere Nacht. Bis zum Ziel war es auch nicht weit. Aber dennoch hatten es die schmalen Asphalt-Streifen in dunkler Nacht in sich. Ohne Navi hätte es wohl böse Überraschungen gegeben, wenn so ein schmaler Weg urplötzlich abknickt.

Ein anderes Grusel-Feeling kam immer wieder auf, wenn in unserem Scheinwerferlicht abseits des Weges auf einmal eine Gruppe menschlicher Gesichter aufleuchteten, die die plötzliche Helligkeit mit zugekniffenen Augen quittierten. Je näher wir dem Ziel kamen, umso mehr Leute waren auszumachen, die ähnliche Absichten hatte wie wir. Schließlich erreichten wir einen der dunkelsten Orte Deutschlands im Sternenpark Havelland und richteten uns fast blind häuslich ein. Überwältigt von der Kulisse, die der Himmel bot, warfen wir uns zur Erde, um gemütlich nach oben starren zu können.

Welche Erscheinung dabei von Ronaldo Besitz ergriff, kann ich nicht sagen. Das Foto sieht ziemlich beängstigend aus.:



Aber vielleicht war es ja auch nur ein sanfter Engel, mit dem er da geschmust hat. ;-) Beim zweiten Versuch war das Wesen jedenfalls verschwunden.



Mehr Bilder gibt es auch nicht, denn niemand von uns hatte eine nachtfähige Kamera dabei. Aber die Ausbeute wäre riesig gewesen. Manchmal gab es minutenlang gar nichts zu sehen, außer ein prächtiges Himmelszelt. Und im anderen Moment fegten gleich drei oder vier Meteoriten gleichzeitig über unsere Köpfe hinweg und zogen einen flammenden Feuerschweif hinter sich her.

Berechtigt daher die Frage woher kommen die Perseiden, die nach dem Sternbild des Perseus benannt sind, weil sie dort am Himmel ihren Ursprung haben? Ursache für diese große Zahl von Meteoriten ist der Komet "109P/Swift-Tuttle". Er wurde im Jahr 1862 unabhängig voneinander von zwei amerikanischen Astronomen (Lewis A. Swift und Horace Parnell Tuttle) entdeckt. Der Komet hat eine Umlaufzeit um die Sonne von etwa 133 Jahren. Einmal im Jahr, immer in der Zeit vom 17. Juli bis zum 24. August durchstreift die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne die Bahn des Kometen. Während des Fluges verliert der Komet viele kleine Teile. Vom Staubkorn über einen kieselgroßen Stein bis hin zu größeren Brocken liegen sie da also ziemlich bewegungslos im All. Wenn nun die Erde diesen Raum kreuzt, sorgt sie mit ihrer hohen Geschwindigkeit von etwa 30 Kilometern pro Sekunde dafür, dass diese vielen Teile angezogen werden und auf die Erde stürzen. Bei diesem Flug verglühen sie dann restlos.

Das letzte Mal, dass der Komet der Erde sehr nahekam, war im Jahr 1992. Weil da wieder viele frische Brocken hinterlassen wurden, gab es in den darauffolgenden Jahren (1993-1996) noch mehr Meteoriten zu beobachten. Das Maximum lag bei etwa 360 Stück pro Stunde. Heute sind es "nur" etwa 100 pro Stunde. Wenn sich der Komet und die Erde einander nähern, kann es auch mal gefährlich werden. Mit seinem Durchmesser von etwa 26 Kilometern dürfte auf der Erdoberfläche erheblicher Schaden entstehen, vielleicht sogar ein Weltuntergang die Folge sein. Beim nächsten Mal etwa im Jahr 2126 wird der Abstand aber mindestens 25 Millionen Kilometer betragen. Also noch einmal in Ruhe durchatmen.

Als wir so dalagen, gab es noch einen kleinen Abriss über 30.000 Jahre Religionsgeschichte. Denn die Astrologie war immer in religiöse Rituale verwurzelt. Und sie war auch ein wichtiger Meilenstein für die Entwicklung der Menschheit insgesamt. Denn nicht nur, dass man versuchte, für beobachtete Phänomene in der Natur "verträgliche" Erklärungen zu finden (und eine Religion ist dafür bestens geeignet, wenn die Antwort immer "Gott" lauten darf), war sie auch der Anlass für wesentliche Forschungen.

So wurde schon vor zehntausenden Jahren in der Nil-Region die Frage aufgeworfen, warum der Himmel immer ein sehr ähnliches Sternenbild zeigt, wenn der Nil überflutete. Und die Flut war lebenswichtig für eine reiche Ernte auf dem angrenzenden Grund und Boden. Über viele Jahre führte man Aufzeichnungen und irgendwann konnte man ein sich änderndes Sternenbild erkennen. So konnten die Auguren dann auf wenige Wochen im Voraus sagen, dass die Fluten des Nils wieder zu erwarten seien, weil sich die Sterne eben wieder in eine bekannte Konstellation stellen würden. Und siehe da: wie versprochen kamen die Fluten.

Dass das Ganze weniger mit den Sternen zu tun hatte, sondern vielmehr mit den bis dahin unbekannten Jahreszeiten (Sommer und Winter unterscheiden sich eben nicht sehr im äquatorialen Streifen, dem der moderne Mensch entstammt), fiel nicht so sehr ins Gewicht. Wohl aber – und das gilt zum Teil bis heute, glauben die Menschen noch immer, dass ihr Schicksal in den Sternen zu suchen sei.

Wesentlich fortschrittlicher und wissenschaftlicher befasste sich Claudius Ptolemäus mit der Sternendeuterei. Zwar war er gefangen im geozentrischen Weltbild (die Erde ist eine Scheibe und alles dreht sich um sie) aber seine Berechnungen waren für seine Zeit (1.-2. Jahrhundert nach Christi) von hoher Güte. Er interpretierte das Sternenfirmament als eine kristallene Sphäre, in der die Sterne befestigt waren. Anderenfalls wären sie ja auch schon längst auf die Erde gestürzt. So schuf er ein Modell, mit dem er Vorhersagen machen konnte (indem man eine Kristallsphäre einfach weiterdrehte). Zugleich erkannte er aber, dass sich die Sterne nicht nur jährlich wiederholend um die Erde drehen würden, sondern dabei auch noch einen abweichenden Weg nehmen würden. Seine Antwort auf diese Frage lautet, dass es sich nicht nur um eine- sondern um mehrere Sphären handeln müsste. Er trieb seine Theorie soweit, dass er mit einem Modell einer mehrschichtigen Kugel nun sehr gute Vorhersagen machen konnte. Und dieses Modell hatte noch einen anderen Vorzug: selbst bei bewölktem Himmel konnte man Sternenkonstellationen ablesen.

Tja … und was machte der unwissende Mensch daraus? Für ihn war der Begriff der "Kristallkugel" geboren, ein mystisches Werkzeug, mit dem man die Zukunft vorhersagen konnte.

Dieser Wunsch nach "göttlicher" Vorhersage griff schnell um sich. Bis heute hält sich der Aberglaube an Horoskope. In der Antike, im Mittelalter und auch in der Neuzeit war der Bedarf daran immens. Manche Schlachten waren zeitlich abhängig von einem guten Horoskop. Ein bedeutender Astrologe war Johannes Kepler. Auch er verdiente seinen Lebensunterhalt unter anderem damit, seinen Fürsten Horoskope zu erstellen. Schnell bekam er aber zu spüren, dass seine Herrschaften vor allem an guten Horoskopen interessiert waren. Für schlechte Vorhersagen (z. B. ein baldiges Ableben) konnte ein Astrologe schnell vorausgeschickt werden. So einige verloren ihr Leben, weil die Zukunftsaussichten zu schlecht waren. So kam man schnell auf die Idee, die Wurzel allen Übels leicht zu variieren: so war nicht mehr nur die Geburt ausschlaggebend, sondern es konnte auch der Ort und Zeitpunkt der Zeugung sein (so etwas erfolgte mitunter ja unter Beobachtung von Zeugen) oder es war Ort und Datum der Thronbesteigung, etc. Man konnte also mit einer guten Begründung solange variieren, bis endlich ein günstiges Horoskop gefunden war. Dass man die ganze Idee ad absurdum geführt hatte, interessierte offenbar niemanden.

Aber gerade Johannes Kepler war es auch, der die Astrologie zur wissenschaftlichen Astronomie weiterentwickelte. So stammen die bis heute gültigen Gesetzmäßigkeiten der Bewegung der Planeten von ihm (1.-3. Kepler'sches Gesetz). Im Lichte dieser Erkenntnisse schwor er der Astrologie ab und verurteilte sie als gottlos. Aber er hatte jetzt ein Problem: eine Folge seiner Forschungen war die Bestätigung des heliozentrischen Weltbildes (alles dreht sich um die Sonne). Damit stand er im Gegensatz zur katholischen Kirche. Und dummerweise trotz der sich gerade ausbreitenden Reformation (er lebte von 1571-1639 unter anderem in Prag) waren auch die Anhänger Martin Luthers der gleichen Meinung. Dank vieler Freunde im katholischen wie im protestantischen Lager, konnte er sich immer bei Zeiten einer Verfolgung entziehen.

Wie gesagt zieht sich der Aberglaube bis in die heutigen Tage. In einer Zeit, in der viele Menschen wegen schlechter Erfahrungen der organisierten Religion abschwören (ja, auch für Papst Franziskus sind Pille und Kondom Teufelszeug) und sich einer sehr weltlichen- weil profitträchtigen Esoterik-Szene hingeben, kann man durchaus die Frage nach dem Warum stellen. Auf der Suche nach Antworten wird bald klar: so sehr die Sterne ein beeindruckendes Bild liefern – eine Antwort bieten sie jedenfalls nicht!

Ich glaube, so gegen 2 Uhr morgens hatten wir dann genug und machten uns auf den Heimweg. Der war recht kühl und von der Streckenwahl natürlich nicht sehr ansprechend: auf geradem Kurs ging es schnurstracks auf der B5 nach Berlin. Glücklicherweise sind uns außer einem kleinen Fuchs (das war schon bei der Anfahrt) keine weiteren Viecher begegnet. In Berlin angekommen, wurde die auserwählte Nachtbar ihrem Namen nicht gerecht: um halb drei morgens war sie leider geschlossen. Auch die Suche nach Alternativen blieb erfolglos und so machten wir uns wieder auf den Weg nach Hause.

Es war eine Tour, die lange in Erinnerung bleiben wird. Denn einen solchen Blick in die Nacht ist man in Berlin nun wahrlich nicht gewöhnt.

Gruß Ron