Sternengucker 2019



Einmal im Jahr machen wir uns nachts auf den Weg. Diesmal wollten wir die Perseiden von einem weiteren "dunklen Punkt" beobachten. Mit von der Partie waren Arend, Dietmar, Fred, Xavier und ich.

Bei unserem Treffen gegen halb sechs hatte sich der Himmel kurz noch einmal zugezogen. Aber die Vorhersagen waren durchweg günstig und bewahrheiteten sich: auf unserer Anfahrt über Potsdam und durch das Havelland riss der Himmel weit auf und machte einer strahlenden Abendsonne Platz.













Zwischendurch gab es eine kurze Pause, die wir nicht nur als Einreihpause nutzten, sondern, wie der Zufall es wollte, wurden wir reichlich mit Brombeeren verwöhnt.







"Einzureihen" gab es auch nichts weiter und so konnten wir unsere Fahrt zum Abendessen fortsetzen. Bis dahin war es auch nicht mehr weit. Wie geplant kehrten wir in eine kleine Pizzeria am Straßenrand in Neustadt/Dosse ein. Diesmal zwar ohne Vorbestellung, aber bei einer so kleinen Gruppe ging es mit der Bestellung dennoch zügig und bald war der Tisch reichlich gedeckt.





In der Dämmerung ging es nun die letzten Kilometer zum Zielort, einem der dunkelsten Punkte in Deutschland, der mit seiner Sternenhelligkeit der zum Beispiel von Namibia entspricht.

Allerdings gab es heute doch ein Handicap: einerseits waren wir noch drei Tage vor der Hauptaktivität der Perseiden und andererseits gab es einen hellen zunehmenden Halbmond. Auf einen wirklich schwarzen Himmel mussten wir bis Mitternacht warten. Und auch dann war die Ausbeute nicht sehr groß. Ich selbst kam heute auf 14 Sternenschnuppen und damit auf einen ganzen Haufen freier Wünsche. ;-)

So verbrachten wir also die Zeit …



Heute, am 10. August werden die Perseiden auch die "Tränen des Laurentius" genannt, weil dieser Tag der Gedenktag an diesen frühchristlichen Märtyrer ist. Laurentius von Rom war ein Diakon zur Zeit des Papstes Sixtus II. Dieser hatte offenbar Differenzen mit seinem Kaiser Valerian. Schließlich ließ diesen den Papst enthaupten und verlangte von Laurentius die Herausgabe des Kirchenschatzes. Dieser verweigerte das und musste dafür eine unglaubliche Qual erleiden: er wurde auf einen glühenden Rost gefesselt und kam so zu Tode. Bis heute wird dieser Heilige sehr verehrt und sein Zeichen ist – die Kirche hatte schon immer einen ganz besonderen Sinn für Humor – ein Rost, wie man ihn auf jeder Grillparty sehen kann. In vielen Wappen ist dieser Grillrost verewigt.

Aber um auch zu erläutern, was es mit den Perseiden auf sich hat, klaue ich mal bei mir selbst aus dem letztjährigen Tourbericht:

Berechtigt daher die Frage woher kommen die Perseiden, die nach dem Sternbild des Perseus benannt sind, weil sie dort am Himmel ihren Ursprung haben? Ursache für diese große Zahl von Meteoren ist der Komet "109P/Swift-Tuttle". Er wurde im Jahr 1862 unabhängig voneinander von zwei amerikanischen Astronomen (Lewis A. Swift und Horace Parnell Tuttle) entdeckt. Der Komet hat eine Umlaufzeit um die Sonne von etwa 133 Jahren. Einmal im Jahr, immer in der Zeit vom 17. Juli bis zum 24. August durchstreift die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne die Bahn des Kometen. Während des Fluges verliert der Komet viele kleine Teile. Vom Staubkorn über einen kieselgroßen Stein bis hin zu größeren Brocken liegen sie da also ziemlich bewegungslos im All. Wenn nun die Erde diesen Raum kreuzt, sorgt sie mit ihrer hohen Geschwindigkeit von etwa 30 Kilometern pro Sekunde dafür, dass diese vielen Teile angezogen werden und auf die Erde stürzen. Bei diesem Flug verglühen sie dann restlos. Oder – wenn sie nur staubgroß sind – bringt das sogenannte Rekombinationsleuchten (dabei ziehen die ionisierten Teilchen die Elektronen aus der Atmosphäre an und setzen dabei einen Haufen Photonen frei) den Himmel zum Funkensprühen.

Das letzte Mal, dass der Komet der Erde sehr nahekam, war im Jahr 1992. Weil da wieder viele frische Brocken hinterlassen wurden, gab es in den darauffolgenden Jahren (1993-1996) noch mehr Meteore zu beobachten. Das Maximum lag bei etwa 360 Stück pro Stunde. Heute sind es "nur" etwa 100 pro Stunde (und das auch nur in besten Lagen, wie im Gebirge, etc.). Wenn sich der Komet und die Erde einander nähern, kann es auch mal gefährlich werden. Mit seinem Durchmesser von etwa 26 Kilometern dürfte auf der Erdoberfläche erheblicher Schaden entstehen, vielleicht sogar ein Weltuntergang die Folge sein. Beim nächsten Mal etwa im Jahr 2126 wird der Abstand aber mindestens 25 Millionen Kilometer betragen. Also noch einmal in Ruhe durchatmen.

Der Blick in die Sterne war für die Menschheit schon immer wichtig. So war die Astrologie immer in religiöse Rituale verwurzelt. Und sie war auch ein wichtiger Meilenstein für die Entwicklung der Menschheit insgesamt. Denn nicht nur, dass man versuchte, für beobachtete Phänomene in der Natur "verträgliche" Erklärungen zu finden (und eine Religion ist dafür bestens geeignet, wenn die Antwort immer "Gott" lauten darf), war sie auch der Anlass für die intellektuelle Entwicklung des Menschen, weil er sich dadurch mit wesentlichen Forschungen befasste.

So wurde schon vor tausenden Jahren in der Nil-Region die Frage aufgeworfen, warum der Himmel immer ein sehr ähnliches Sternenbild zeigt, wenn der Nil überflutete. Und die Flut war lebenswichtig für eine reiche Ernte auf dem angrenzenden Grund und Boden. Über viele Jahre führte man Aufzeichnungen und irgendwann konnte man ein sich änderndes Sternenbild erkennen. So konnten die Auguren dann auf wenige Wochen im Voraus sagen, dass die Fluten des Nils wieder zu erwarten seien, weil sich die Sterne eben wieder in eine bekannte Konstellation stellen würden. Und siehe da: wie versprochen kamen die Fluten.

Dass das Ganze weniger mit den Sternen zu tun hatte, sondern vielmehr mit den bis dahin unbekannten Jahreszeiten (Sommer und Winter unterscheiden sich eben nicht sehr im äquatorialen Streifen, dem der moderne Mensch entstammt), fiel nicht so sehr ins Gewicht. Wohl aber – und das gilt zum Teil bis heute, glauben die Menschen noch immer, dass ihr Schicksal in den Sternen zu suchen sei.

Wesentlich fortschrittlicher und wissenschaftlicher befasste sich Claudius Ptolemäus mit der Sternendeuterei. Zwar war er gefangen im geozentrischen Weltbild (die Erde ist eine Scheibe und alles dreht sich um sie) aber seine Berechnungen waren für seine Zeit (1.-2. Jahrhundert nach Christi) von hoher Güte. Er interpretierte das Sternenfirmament als eine kristallene Sphäre, in der die Sterne befestigt waren. Anderenfalls wären sie ja auch schon längst auf die Erde gestürzt. So schuf er ein Modell, mit dem er Vorhersagen machen konnte (indem man eine Kristallsphäre einfach weiterdrehte). Zugleich erkannte er aber, dass sich die Sterne nicht nur jährlich wiederholend um die Erde drehen würden, sondern dabei auch noch einen abweichenden Weg nehmen würden. Seine Antwort auf diese Frage lautet, dass es sich nicht nur um eine- sondern um mehrere Sphären handeln müsste. Er trieb seine Theorie soweit, dass er mit einem Modell einer mehrschichtigen Kugel nun sehr gute Vorhersagen machen konnte. Und dieses Modell hatte noch einen anderen Vorzug: selbst bei bewölktem Himmel konnte man Sternenkonstellationen ablesen.

Tja … und was machte der unwissende Mensch daraus? Für ihn war der Begriff der "Kristallkugel" geboren, ein mystisches Werkzeug, mit dem man die Zukunft vorhersagen konnte.

Dieser Wunsch nach "göttlicher" Vorhersage griff schnell um sich. Bis heute hält sich der Aberglaube an Horoskope. In der Antike, im Mittelalter und auch in der Neuzeit war der Bedarf daran immens. Manche Schlachten waren zeitlich abhängig von einem guten Horoskop. Ein bedeutender Astrologe war Johannes Kepler. Auch er verdiente seinen Lebensunterhalt unter anderem damit, seinen Fürsten Horoskope zu erstellen. Schnell bekam er aber zu spüren, dass seine Herrschaften vor allem an guten Horoskopen interessiert waren. Für schlechte Vorhersagen (z. B. ein baldiges Ableben) konnte ein Astrologe schnell vorausgeschickt werden. So einige verloren ihr Leben, weil die Zukunftsaussichten zu schlecht waren. So kam man schnell auf die Idee, die Wurzel allen Übels leicht zu variieren: so war nicht mehr nur die Geburt ausschlaggebend, sondern es konnte auch der Ort und Zeitpunkt der Zeugung sein (so etwas erfolgte mitunter ja unter Beobachtung von Zeugen) oder es war Ort und Datum der Thronbesteigung, etc. Man konnte also mit einer guten Begründung solange variieren, bis endlich ein günstiges Horoskop gefunden war. Dass man die ganze Idee ad absurdum geführt hatte, interessierte offenbar niemanden.

Aber gerade Johannes Kepler war es auch, der die Astrologie zur wissenschaftlichen Astronomie weiterentwickelte. So stammen die bis heute gültigen Gesetzmäßigkeiten der Bewegung der Planeten von ihm (1.-3. Kepler'sches Gesetz). Im Lichte dieser Erkenntnisse schwor er der Astrologie ab und verurteilte sie als gottlos. Aber er hatte jetzt ein Problem: eine Folge seiner Forschungen war die Bestätigung des heliozentrischen Weltbildes (alles dreht sich um die Sonne). Damit stand er im Gegensatz zur katholischen Kirche. Und dummerweise trotz der sich gerade ausbreitenden Reformation (er lebte von 1571-1639 unter anderem in Prag) waren auch die Anhänger Martin Luthers der gleichen Meinung. Dank vieler Freunde im katholischen wie im protestantischen Lager, konnte er sich immer bei Zeiten einer Verfolgung entziehen.

Wie gesagt zieht sich der Aberglaube bis in die heutigen Tage. In einer Zeit, in der viele Menschen wegen schlechter Erfahrungen der organisierten Religion abschwören (ja, auch für Papst Franziskus sind Pille und Kondom Teufelszeug) und sich einer sehr weltlichen- weil profitträchtigen Esoterik-Szene hingeben, kann man durchaus die Frage nach dem Warum stellen. Auf der Suche nach Antworten wird bald klar: so sehr die Sterne ein beeindruckendes Bild liefern – eine Antwort bieten sie jedenfalls nicht!

Gegen halb Zwei traten wir die Heimreise an, die uns zunächst noch über Landstraßen führte, dann aber bald in die B5 mündete, die uns zügig nach Hause brachte. Am Theodor-Heuss-Platz löste sich die Gruppe dann auf und jeder fuhr in die eigenen heimatlichen Gefilde.

Das war wieder eine – trotz geringer Ausbeute – schöne Nachttour. Diesmal auch ungewöhnlich warm, so dass man lange im Freien liegen konnte. Mal sehen, ob es dieses Jahr noch einmal mit den Leoniden klappt. ;-)

Gruß Ron