Tödliche Geheimnisse in Mirow – 20.10.2024



Die Wettervorhersage für heute war vielversprechend und hat nicht enttäuscht: für diese Herbsttour hatten wir bestes Wetter und konnten unsere Pausen alle im Freien bei Sonnenschein verbringen. Und ein besonderes Schmankerl war die Strecke, die diesmal einen richtig hohen Anteil von kleinsten Nebensträßchen hatte. Rundum also ein gelungener Tag.

Aber von vorne: wir trafen uns morgens in Kremmen. Mit dabei waren Benno, Fred, Jörg (JöTie), Jörg (Jörg Bandit 1200), Kerstin, Lutz, Martin, Ralf (Ralkam), Ralf (ralfr12r), Robert, Ulli und ich.



Tatsächlich war nichts mehr an Gastronomie zu finden. Vielleicht müssen wir uns bald einmal einen anderen Treffpunkt im Nordwesten suchen. Hingegen sollte in Kremmen heute ein Kürbisfest stattfinden. Entsprechend waren die Aufbauarbeiten im Gange und die Zufahrt zum Parkplatz nicht möglich. So trafen wir uns ein Stück davor. Als wir einem Nachzügler das akademische Viertel zustehend etwas verspätet starten konnten, ging es zunächst nördlich aus Kremmen hinaus.







Vorbei am Sühne-Denkmal für die Schlacht am Kremmener Damm,



ging es dann östlich in Richtung Hohenbruch, wo die Straßen schon einmal schön schmal wurden.







Über Teschendorf, Löwenberg und Großmutz näherten wir uns dem Ort Meseberg, wo wir unsere erste Pause – die Einreihpause – einlegten.







Leider kann man von dem dortigen Parkplatz das Schloss Meseberg nicht mehr sehen. Deshalb gib es diesmal kein Bild vom Gästehaus der Bundesregierung, in dem schon ein Barack Obama oder auch ein George W. Bush übernachtet haben. So hielten wir unsere Einreih-Pause ab und ein wenig gab es auch zu besprechen. Aber wir konnten unsere Reise bald fortsetzen.





Abseits der großen Verkehrswege ging es für uns durch herbstlichen Wald und leuchtenden Feldern nach Norden. Über Keller, Schulzendorf, Zernikow und Altglobsow ging es nach Fürstenberg/Havel,





das wir durch einen versteckten Ausfall nach Westen wieder verließen.







Steinförde, Großmenow, Strasen, Neu Canow, Diemitzer Schleuse, Fleeter Mühle und Peetz hießen die nächsten Ortschaften, die allesamt im Neustrelitzer Kleinseenland liegen, das Teil des Müritz-Nationalparks und damit der Mecklenburgischen Seenplatte ist. Zu jeder Jahreszeit eine herrliche Gegend. Der Weg führte uns geradewegs nach Mirow.









Das ehemalige Slawen-Dorf Mirov, was soviel wie Ruhe oder Frieden bedeutete, hat sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer Kleinstadt entwickelt. Maßgeblichen Anteil hatte daran der Johanniter-Orden, dem hier im 13. Jahrhundert Land geschenkt wurde. Später wurde es auch zum Fürstensitz der Herzogslinie Mecklenburg-Strelitz, bevor dieser nach Neustrelitz verlegt wurde.

Für uns hieß es aber zunächst Sprit-Fassen.



Auch wenn wir uns geschworen haben, diese Tankstelle nicht mehr zu besuchen. Tja, da rächt sich die Geldgier, wenn man trotz Tanken für den Besuch der Toilette Geld verlangt! Immer diese Kapitalisten!

Gleich darauf erreichten wir unser Ziel: wir fuhren auf die Schlossinsel Mirow.



Nachdem wir die Rösser geparkt hatten und schon ein dringender Anruf des Restaurants erledigt war, das wissen wollte, wo wir denn blieben, machten wir uns aber zunächst zu Fuß auf, um die Örtlichkeit genauer zu erkunden.



Ein paar Worte zur Geschichte dieser Schlossanlage.







Nachdem das Palais als Museum ausgebaut wurde, wird es heute als „3-Königinnen-Palais“ bezeichnet. Dieses Nebenschloss der Herzöge von Mecklenburg-Strelitz (der Hauptsitz war das Residenzschloss in Neustrelitz) wurde als Wohnstätte der apanagierten Mitglieder der Familie genutzt. Zu ihnen gehörten drei Prinzessinnen, die später durch Heirat zu Königinnen wurden: Die älteste von ihnen war Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz (19.Mai 1744 in Mirow – 17. November 1818 im Kew Palace in den Royal Botanic Gardens im heutigen Großraum Londons), Frau von König Georg III., Königin von Großbritannien und Irland, Königin von Hannover, Kurfürstin von Braunschweig-Lüneburg und Großmutter von Königin Victoria.



Im Bundesstaat North-Carolina, Mecklenburg County, wurde die größte Stadt Charlotte nach ihr benannt. Und damit trägt auch das dortige bekannte Basket-Ball-Team „Charlotte Hornets“ ihren Namen.

Ihre Nichte war Luise von Mecklenburg-Strelitz (10. März 1776 in Hannover – 19.07.1810 Schloß Hohenzieritz), Frau von König Friedrich-Wilhelm III. von Preußen. Mutter des späteren ersten deutschen Kaisers Wilhelm I.



Nach Friedrich II. von Preußen gilt sie als das bekannteste und beliebteste Gesicht der Hohenzollern-Dynastie. Unvergessen ihre Verkörperung im gleichnamigen Film „Königin Luise“ durch Ruth Leuwerik, die übrigens dieses Jahr ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte!

Ihre Schwester und ebenfalls Nichte von Sophie Charlotte war schließlich Friederike von Mecklenburg-Strelitz (2. März 1778 in Hannover – 29. Juni 1841 in Hannover), Frau von König Ernst August I. von Hannover.



Zur Königinnenwürde kam sie allerdings erst im dritten Anlauf. Ihre beiden vorherigen Ehen scheiterten und nur der Umstand, dass Queen Victoria nicht Königin von Hannover werden konnte (das salische Erbfolgegesetz verbot den Frauen die Thronbesteigung), machte sie zur Königin von Hannover. Der damaligen Berliner Gesellschaft war Friederike schon in jungen Tagen sehr bekannt. Die berühmte Skulptur der beiden Schwestern von Johann Gottfried Schadow, die in vielen kleinen Kopien verkauft wurden (was Luises Gemahl, dem preußischen König Friedrich-Wilhelm III. gar nicht recht war), fand sich in vielen Haushalten. Wegen ihrer freizügigen Darstellung (man beachte die Brust-Partie) war sie vor allem bei den männlichen Preußen sehr beliebt. Wenn man so will: echte Biedermeier-Pornographie! ;-)



Uns zog es aber weiter,



denn es galt, eine noch viel interessantere Story zu verfolgen. Über diese Brücke gelangte man auf die sogenannte Liebesinsel.







Hier befindet sich dieses Monument:







Es handelt sich um die Begräbnisstätte des letzten regierenden Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz. Um dessen Tod ranken sich viele geheimnisvolle Gerüchte. Deshalb soll die Geschichte kurz erzählt werden:



Adolf Friedrich VI. (17. Juni 1882 – 24. Februar 1918) war ab 1914 der regierende Großherzog von Mecklenburg-Strelitz. Er galt als "begehrtester Junggeselle Europas" und war zudem wohl auch der reichste. Sein Vermögen betrug etwa 100 Millionen Goldmark. Kaiser Wilhelm II. soll ihn sein "Gold-Prinzchen" genannt haben. Der Ur-Großneffe von Königin Luise von Preußen kam unter mysteriösen Umständen ums Leben. Am Morgen des 24. Februar 1918 wurde seine Leiche im Stadtkanal von Neustrelitz gefunden. Sein steter Begleiter, eine große Dogge, soll ihn winselnd die ganze Nacht am Ufer bewacht haben. Nach verschiedenen Überlieferungen hatte er eine Schusswunde in der Brust, bzw. im Kopf. Weil er angeschossen in den Kanal stürzte, lautet die offizielle Todesursache bis heute jedoch "Ertrinken". Die Schusswaffe wurde nie gefunden. Dennoch gilt sein Ableben als Selbstmord. Um seinen Freitod ranken sich verschiedene Gerüchte:

Zum einen wird ihm wird eine (eher unwahrscheinliche) homosexuelle Beziehung zu seinem Leibjäger Friedrich Nonnen (der auch sein Bursche und Meldefahrer im I. Weltkrieg war) nachgesagt. Gestützt wird das Gerücht durch die Bevorzugung Nonnens und spätere Berufung als "Förster ohne Revier" in Goldenbaum. Nonnen fuhr als erster Förster in Mecklenburg ein BMW-Motorrad mit Seitenwagen. Auch erhielt er viele Einrichtungsgegenstände aus den Schlössern und Wohnungen des Großherzogs zum Geschenk.

Andererseits spricht man aber auch von einer Liebschaft zu der italienischen Sängerin Mafalda Salvatini, die auf seine Empfehlung ein Engagement am Deutschen Opernhaus in Berlin erhielt. Sie hatte zwei Söhne, die mutmaßlich von Adolf Friedrich stammen. Die beiden Söhne Rolf und Horst blieben bis zu ihrem Tode verschwiegen. Rolf Gérard wurde ein international anerkannter Kostüm- und Szenenbildner und wirkte lange Zeit am Broadway in New York.

Die wohl verhängnisvollste Geschichte ist die über eine außereheliche Beziehung zur englischstämmigen Fürstin Daisy von Pleß. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie während des I. Weltkrieges als Spionin vertrauliche Post des Großherzogs nach England geschmuggelt habe. Weil Adolf Friedrich wegen seiner familiären Beziehungen nach Großbritannien und wegen der Annexion Hannovers durch Preußen eher preußenfeindlich eingestellt war, wurden auch ihm Spionagevorwürfe gemacht.

Für seine Eskapaden soll ihm unter anderem ein Wohnhaus in Potsdam gedient haben. Die Anschrift lautet Alleestraße 9, das heutige Regine-Hildebrandt-Haus, Zentrale der SPD in Brandenburg.



Die gruseligste Angelegenheit ist aber die, dass er zwei Tage vor seinem Tod einen versiegelten Brief des Kaisers erhalten hat, der von seiner Cousine und Gattin des Kaiser-Sohnes Joachim von Preußen Prinzessin Maria Auguste geborene von Anhalt persönlich überbracht wurde.



In ihrer Begleitung befand sich auch ein Rittmeister der Garde. Während die Prinzessin Neustrelitz gleich nach der Übergabe des Briefes wieder verließ, quartierte sich der Gardeoffizier in dem nahegelegenen Hotel "Mecklenburger Hof" (Schloßstraße 1) ein.



Nachdem man die Leiche des Großherzogs gefunden hatte, bezahlte der Offizier kühl seine Rechnung und reiste wortkarg ab.

Man mag sich alles weitere selbst zurechtlegen. Jedenfalls konnten weitere Details zum Ableben des Großherzogs nie ermittelt werden.

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde sein Leichnam am 3. März 1918 nach Mirow überführt. Adolf Friedrich hatte zuvor bereits verfügt, dass er auf der Schloßinsel bestattet werden solle. Damit vermied er auch einen gewichtigen Konflikt. Denn als Oberbischof der Strelitz'schen Landeskirche wäre ihm als Selbstmörder ein kirchliches Begräbnis versagt worden. Eine Bestattung in der der alten Johanniterkirche angebauten Familiengruft wäre nicht möglich gewesen. So ruht er heute auf der sogenannten "Liebesinsel". Auch das Denkmal an seinem Grab, eine antike Säule, die von einer Schlange umwunden wird, gab der Bevölkerung Rätsel auf: sollte es sich hier gar um eine Anspielung auf eine "falsche Schlange" handeln? Gekrönt wird das ganze Mysterium jedenfalls von dem sich haltenden Gerücht, dass sein Leichnam bis heute nicht vollständig verwest sein soll.

Für uns hieß es nun, die heutige Futterluke aufzusuchen. Und die war nicht weit. Auch auf der Schlossinsel errichtet, marschierten wir zurück zum Palais



und vorbei an der Johanniterkirche



zur Alten Schlossbrauerei.



Wunderschön am See gelegen, tat das Wetter das Seine, damit wir in diesem Jahr noch einmal die Sonne auf der Terrasse genießen konnten. So mussten erst noch die Tische aus ihrem vorzeitigen Winterschlaf erweckt und von ihren Fesseln befreit werden.



Mit den Bestellungen ging es dann auch rasch. Das Essen war wirklich lecker!









Als wir rundum satt und zufrieden waren, konnte es weitergehen.



Noch immer auf schmalen Pfaden unterwegs,





nahmen wir einen kleinen Bogen in Kauf, um durch diesen sehr kleinen- aber dafür umso namhafteren Ort zu fahren.



Wir sind aus Brandenburg ja viele Skurrilitäten in Sachen Namensgebung gewohnt. Aber hier in Mecklenburg ist es doch etwas anders: der Ortsname hat nichts mit dem untergegangenen Troja in Kleinasien zu tun. Auch nichts mit dessen Ausgräber Heinrich Schliemann, der nur etwa 20 km von hier entfernt in Ankershagen aufgewachsen ist. Schon 29 Jahre vor dessen Geburt wurde der Name des Dorfes und früheren Vorwerkes als „Troja“ im Ortsregister des Jahres 1793 geführt. Die älteste Erwähnung gab es schon zwei Jahre zuvor in einem Brief aus dem Jahr 1791. Sprachwissenschaftler leiten den Namen aus dem Altslawischen Plural für die Zahl Drei = „Troj“ ab. Wer oder was auch immer diese „Dreie“ gewesen sind.

Wenige Kilometer weiter am Flugplatz Lärz gab es eine weitere Sehenswürdigkeit, von der genau genommen auch nichts mehr zu sehen war: auf einem abgetrennten Teil des alten, viel größeren Flugfeldes ist der Verein „Kulturkosmos“ beheimatet. Viele Kunstschaffende haben sich hier angesiedelt, um ihre Projekte zu verwirklichen. Vor ein paar Jahren sah es hier noch aus wie auf dem Burning-Man-Festival in Nevada. Inzwischen scheinen die Künstler gesitteter im Auftritt und ein wenig zurückhaltender zu sein. Bis auf ein paar bunte Fahnen war beim zügigen Vorbeifahren jedenfalls nicht mehr zu sehen.

Uns zog es bis in den Norden zur B198 hoch, bevor wir wieder nach Süden abdrehten.









Vipperow (ich glaube, da habe ich eine Schlange auf der Straße gesehen), Friedrichshof, Melz und Kieve hießen die nächsten Ortschaften. Hinter Sewekow kamen wir dann zu einem etwas anspruchsvolleren Geläuf: das hiesige Kopfsteinpflaster war zwar einigermaßen fahrbar aber die teilweise großflächigen Versandungen haben dann doch den ein oder anderen Nerv gekostet. Unsere Hinterteile wurden also auf den nächsten vier Kilometern ordentlich durchgerüttelt.





Weiter über Schweinrich und einer „Privatstraße des Bundes“ durch ein Militärgelände kamen wir hinter Alt Lutterow nach Flecken Zechlin zu unserem Kaffeestopp.





Dort hieß es, einen ordentlichen Parkplatz zu finden.







Die Landbäckerei und Konditorei Janke



war für uns neu. Aber der Zufallsfund erwies sich als Geheimtipp. Zwar war die Kuchenauswahl ein wenig karg (es fehlten die richtig fetten Torten-Stücke). Und anstelle einer Café-Bedienung musste man sich anstellen und alles am Tresen holen.



Aber dafür war nach langem Marsch durch das Gebäude hindurch die hintere Terrasse ein gemütlicher Ort zum Verweilen.

Na ja. Die Tasse hätte vielleicht besser ein Pott sein sollen.



Aber die Aussicht auf den Schwarzen See war klasse!





So langsam ließ nun das Tageslicht nach, deshalb ging es bald weiter.







Um Rheinsberg weit zu umfahren, ging es wieder auf engen Wegen über Linow und Zühlen nach Braunsberg und von dort durch Schwanow, Zechow, Köpernitz, Heinrichsdorf, Dierberg und Lindow (Mark) nach Herzberg und Rüthnick und schließlich zu unserem Ausgangsort Kremmen.









Unterwegs wurde es so dämmerig, dass die Helmkamera sich wieder auf ihr künstlerisches Fach verlegte und anstelle ordentlicher Bilder eher Gemälde expressionistischer Güte fabrizierte.



In Kremmen angekommen, war das Kürbisfest auch schon fast weggeräumt. Aber keines der Lokale hatte geöffnet. So mussten wir ohne Umtrunk nach 231 tollen Tourenkilometern Abschied voneinander nehmen.



Wie eingangs schon erwähnt, war diese Tour von außergewöhnlich vielen schmalen Straßen gesäumt. Es ist immer wieder ein Genuss, sich dort allein unterwegs und nahe der Natur zu fühlen. Auf diesen – unseren – Strecken sind wir bisher fast nie anderen Motorradfahrern begegnet. Das ist halt unser Markenzeichen.

Jedenfalls war das der Schlusspunkt für diese Saison. Aber es geht natürlich weiter: ab dem 8. November geht es mit den Stammtischen los. Und weil schon nach der Wintersaison-Eröffnung gefragt wurde: irgendwas geht immer!

Bis dahin!

Gruß Ron